Narzisstische Männer haben es tatsächlich relativ einfach ihren strukturellen Missbrauch in der Familie aufrechtzuerhalten: Durch die gesellschaftlichen und kulturellen Erwartungen, die an Väter gerichtet sind.

Das alte Rollendenken und die typischen Verhaltensmuster von Müttern und Vätern sah vor, dass die Mütter sich zu Hause um die Kinder kümmern, während der Mann als Versorger sich um das Einkommen der Familie kümmert. Zwar sind diese Vorstellungen am Aufbrechen. Jedoch muss man sich unweigerlich fragen: Während die Anforderungen an Mütter gestiegen sind, weil sie im Vergleich zu früher alles leisten sollen (Kind, Haushalt, Karriere), sind die gesellschaftlichen Anforderungen auch im gleichen Maße bei den Vätern gestiegen? Oder ist es immer noch eine überraschende Ausnahme, wenn der Vater die Elternzeit übernimmt oder zwischen allen Müttern in der Kleinkinder-Spielegruppe sitzt?

Dass der Mann zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, während die Frau arbeiten geht, ist statistisch gesehen immer noch ein seltenes Szenario. Das liegt nicht unbedingt an einer „altmodischen“ Einstellung der Väter, sondern auch an den Einkommensunterschieden zwischen den Geschlechtern und den Möglichkeiten, die den Männern durch ihre Arbeitgeber überhaupt erst gegeben werden oder eben nicht.

Trotzdem sind die Anforderungen an Väter grundsätzlich andere als die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was eine junge Mutter alles machen kann oder soll.

Vor allen Dingen die Generationen vor uns hatten sehr klare Vorstellungen von den Geschlechterrollen. Die klassische Rollenverteilung innerhalb der Familie war das, was in den meisten Haushalten vorherrschte. Doch durch die gesellschaftlichen Vorgaben wurde es narzisstischen Männern sehr einfach gemacht: Denn sie gingen arbeiten und waren ansonsten frei gesprochen von den familiären Pflichten. Einen Haushalt führen? Frauensache. Kochen? Frauensache. Um die Kinder kümmern, versorgen, fördern, erziehen, unterhalten…? Frauensache. Alltägliche Organisationen? Frauensache.

Eine ganze Generation von Männern hat keinen aktiven Part im Familienleben übernommen – und das war in Ordnung.  

Es war gesellschaftlich akzeptabel, dass Männer emotional unzugänglich innerhalb ihrer Familie waren. Die Idee eines liebevollen, fürsorglichen und aufopfernden Vaters ist tatsächlich erst in den letzten Jahren aufgekommen. Davor war der Vater der Hausherr, der nicht nur in der Hierarchie ganz oben stand, sondern der nicht in der Pflicht stand sich in irgendeiner Weise in die Familie miteinzubringen – er war der (finanzielle) Versorger, nicht mehr und nicht weniger.

Diese Idee, was Männer als Väter innerhalb ihrer Familien zu leisten haben und was nicht, ist immer noch sehr festgefahren in den Köpfen. Und stellt die jetztige Generation vor komplexe Problematiken. Denn wie kann man Versorger und emotional stabil, zugänglich, fürsorglich etc. sein? Das wurde einem nicht beigebracht.

Schließlich sind die jungen Väter von heute von Generationen von Männern großgezogen worden, die emotional unzugänglich sein durften. Denn die Gesellschaft hat gewiss keinen Vater verurteilt, weil er seine Kinder emotional vernachlässigt hat. „Fehlende Liebe“ war ein Konzept, das über Generationen hinweg verlässlich funktioniert hat.

Inwieweit hier dem Narzissmus und dem narzisstischen Missbrauch „geholfen“ wurde oder dieser sogar seinen Ursprung in den gesellschaftlichen Vorstellungen und allgemeinen Werten davon, was Familie sein sollte, fand, ist wohl etwas, das noch untersucht werden sollte.


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