Kampf
Als Kind (und später als Teenager) wurdest du als rebellisch, stur oder störrisch beschrieben. Du hast auch ständig gekämpft: Mit deiner Familie und mit dir selbst.
Dein Widerwille lief konträr zu den absurden Anforderungen und der Willkür deiner narzisstischen Eltern. Mit dem gleichzeitigen kindlichem Wunsch Anerkennung von eben jenen zu bekommen, die man doch innerlich ablehnt.
Du konntest es niemandem recht machen, und das hat dich erst recht wütend werden lassen. Dem Versuch „auszubrechen“ aus dieser familiären Dynamik stand immer dein Bedürfnis nach Sicherheit und liebevoller Zuwendung gegenüber.
Denn auch du musstest dich mit emotionalen Brotkrümeln zufriedengeben. Für diese wenigen Momente kurzer Zuwendung warst du zwar durchaus dankbar, aber deine permanente Anspannung konnte dir niemand nehmen. Du warst gestresst, du standest unter Spannung – immer bereit für den nächsten Angriff.
Diese Einstellung hat sich über die Jahre nicht gebessert, sondern nur verschoben. So war zwar die Anspannung gegen die Verursacher, gegen deine narzisstischen Eltern gerichtet, konntest du doch nie etwas gegen deren Attacken unternehmen. Aus dieser Frustration heraus hat sich ein Kampf gegen die Welt entwickelt. Du bist misstrauisch geworden. Vielleicht sogar aggressiv und hast viel Ärger und Streit im außen gesucht (und gefunden). Du befürchtest ständig Ärger und dass es jemand böse mit dir meint. Wenn jemand mit dir diskutieren möchte, bist du sofort im Angriffsmodus. Bereit dich zu verteidigen. Bereit zu kämpfen.
Dieser permanente Stress, ständig mit einem „Überfall“ von allen Seiten rechnen zu müssen, macht es dir schwer überhaupt zur Ruhe zu kommen. Richtige Entspannung war dir schon als Kind fremd. Deshalb tendierst du zu Kompensation, um der Anspannung entgegenzuwirken. Hast früh mit dem Rauchen oder Trinken angefangen. Brauchst viel Ablenkung, um die Anspannung körperlich rauslassen zu können.
Die Unruhe, die Anspannung sind nie von dir gewichen. Eventuell hast du ein Problem damit deine Wut adäquat in Worte zu fassen oder tendierst zu explosionsartigen Aggressionen. Du versuchst nun innerhalb deines Umfeldes das zu erreichen, was du in deiner Kindheit gebraucht hättest: Sicherheit. Da du keinen Weg kennst, diese Sicherheit emotional nachempfinden zu können, versuchst du sie durch Kontrolle für dich zu imitieren.
Du machst jedoch nur das, was du innerhalb deiner Familie gelernt hast: Unangenehme Gefühle werden unterdrückt. So wie deine narzisstischen Eltern es getan haben, gibst auch du deinen Emotionen, ganz besonders deiner Wut, keinen Raum, um sie auszudrücken.
Auf deine laute Wut haben deinen Eltern mit eisernem Schweigen und Ignoranz reagiert. Egal was du gesagt oder getan hast, du wurdest ignoriert. Nie hat sich etwas geändert. Du konntest mit deiner Wut nichts erreichen. DU konntest nichts erreichen. Das hat sich bei dir festgesetzt.
Flucht
Warst du ein Kind, das hauptsächlich die Überlebensstrategie Flucht für sich angewendet hat, warst du in erster Linie von Angst und dem starken Bedürfnis nach Rückzug getrieben. Du warst ein ruhiges, vielleicht unauffälliges Kind, das früh gelernt hat „unter dem Radar“ der narzisstischen Eltern zu verschwinden.
Das kindliche Bedürfnis nach Sicherheit, das nie erfüllt wurde, bleibt auch als Erwachsener bestehen. Du hast dich innerhalb deiner Familie unwohl gefühlt und hast deshalb schnell das adaptiert, was dir deine narzisstischen Eltern „beigebracht“ haben: Die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu ignorieren.
Es war erträglicher für dich (und ist es auch heute noch) dich selbst und die eigenen Gefühle zu unterdrücken, statt den unerträglichen Stress auszuhalten, den man dir bei Widerworten oder der bloßen Äußerung berechtigter Bedürfnisse gemacht hat.
Flucht als Überlebensstrategie ist der Versuch sich abzugrenzen von den Bedrohungen, die einen umgeben. Doch Flucht lässt sich als Kind rein körperlich und den natürlichen Abhängigkeiten, wie der Wohnungssituation geschuldet, oft nicht erreichen, weshalb du dich in andere Realitäten geflüchtet hast.
Das kann Tagträumerei sein, Fernsehen, Computerspiele oder lesen. Wenn all dies in einem gesunden Rahmen vollzogen wird, ist daran nichts verkehrt. Doch in einem toxischen Familiensystem nimmt der Wunsch der Realität zu entfliehen überhand, was sich dann in einem exzessiven Rückzug äußert. Denn du warst als Kind nicht in der Lage der Übergriffigkeit und Grenzenlosigkeit deiner narzisstischen Eltern zu entkommen.
Die Realität war schlichtweg nicht zu ertragen, weshalb es angenehmer war, sich in eine andere zu flüchten.
Eine Welt, in der du der Held warst. Eine Welt, in der du deine Gefühle der Machtlosigkeit kompensieren konntest und endlich so fühlen konntest, wie es dir mit deiner Familie nie möglich war: stark, unabhängig, frei.
Diese Flucht vor den Widrigkeiten des Lebens als Überlebens-strategie wendest auch noch als Erwachsener an. Konflikten gehst du weiträumig aus dem Weg. Du hast Probleme für dich selbst einzustehen. Deine kindlichen Gefühle der Hilflosigkeit und Wertlosigkeit empfindest du auch noch als Erwachsener, weshalb du nicht in der Lage bist, dich pro-aktiv aus schwierigen Stresssituationen zu befreien. Wenn du eines gelernt hast, dann durch Passivität schwierige Situationen zu „ertragen“ indem du so tust als existieren sie nicht. Du redest sie schön, um der eigenen Verantwortung zu entkommen.
Doch das Leben wird nicht aus der Distanz gelebt. Du vermeidest nicht nur Teil von Konflikten, Streitereien und Ärger zu sein. Du vermeidest es, am Leben teilzunehmen.
Freeze
Als Kind warst du eher angepasst und ruhig. Deine Überlebensstrategie war Freeze oder Schockstarre, um mit der übermächtigen Präsenz deiner narzisstischen Eltern umgehen zu können. Freeze zeichnet sich dadurch aus, dass man bei Stress und Konflikten gar nicht reagiert. Man ist wie eingefroren und reagiert auf Aggressionen und Stress mit einem mentalen und emotionalem „Abschalten“.
Für deine narzisstischen Eltern war dies neben der Überlebensstrategie Fawn Response wahrlich eine unproblematische Tatsache. So konnten sie ihren Missbrauch regelrecht ungestört weitertreiben, denn hier mussten sie nicht mit Kritik oder Widerspruch rechnen. Das hört sich widerwärtig an? Das ist es auch.
Du hast alles mitgemacht, hast keinen Widerwillen gezeigt oder gar eigene Bedürfnisse eingefordert. Du bist so „nebenher“ mitgelaufen – absolut angepasst an die Bedürfnisse der restlichen Familienmitglieder. Wie ein Kaninchen, das sich einer Schlange gegenübersieht, standest du hilflos und starr deinen narzisstischen Eltern gegenüber.
Dein Stresspegel war extrem hoch, doch drang kein Laut aus deinem aufgewühlten Inneren nach außen. Zu groß die Angst vor einem erneuten Angriff. Zu groß die erlernte Hilflosigkeit.
Auch als Erwachsener empfindest du wenig oder auch keine Wut über die Willkür, die Ungerechtigkeiten, die dir widerfahren. Die Anpassung an die narzisstischen Gefühlswelt hat dich selbst taub werden lassen für deine berechtigten Emotionen.
Hier ist die Gefahr für psychische Krankheiten groß, wenn die ungesunden Verhaltensmuster nicht abgelegt werden können. Störungen, wie Zwangsstörungen oder Angststörungen können auftreten, ist man nicht in der Lage seine wahren Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen. Du hast Angst du selbst zu sein. Denn dafür wurdest du in der Vergangenheit bestraft und hast Ablehnung erfahren.
Die Misshandlungen gegen dich können dabei relativ heftig und aggressiv ausfallen, doch da du „ruhig“ und angepasst reagierst, fällt es deinem Umfeld schwer, dir und deinen seelischen Verletzungen die angemessene Aufmerksamkeit zu schenken. Durch deine Überlebensstrategie Freeze bist du in einem Kreislauf gefangen, der es deinen narzisstischen Eltern sehr einfach macht, dir andauernd Leid zuzufügen. Denn du zeigst keinerlei wütende Reaktion auf die narzisstischen Attacken bzw. könntest auch nicht konsequent auf deren Fehlverhalten reagieren.
Deine Überlebensstrategie macht dich nicht nur hilflos und lähmt dich in deinem Handlungsspielraum, wie das Kaninchen vor der Schlange, es hält dich auch in deiner kindlichen Hilflosigkeit gefangen.
Fawn Response
Fawn Response oder auch Bambi-Effekt ist eine Reaktion auf traumatische Ereignisse, die sich am ehesten als chronische Unterwürfigkeit beschreiben lässt.
Als Kind warst auch du ruhig, still, brav und angepasst. „Über-angepasst“ könnte man sagen. Während mit den Überlebensstrategien Kampf und Flucht noch versucht wird, der unerträglich stressigen Situation zu entkommen, hast du gelernt, die dir zugefügten Traumata zu „ertragen“ indem du sie stillschweigend über dich ergehen lässt.
Ähnlich wie bei der Überlebensstrategie Freeze hast du für dein Verhalten Lob von deinen narzisstischen Eltern bekommen. Denn was ist leichter zu missbrauchen wie ein „braves“ Kind, das alles über sich ergehen lässt, ohne Widerworte, ohne Kritik?
Dein kindliches Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung war so groß, dass du willig warst, dich deinen narzisstischen Eltern komplett unterzuordnen. Dieser Wunsch nach Harmonie ist zu einem zwanghaften Verhalten geworden, das auch noch als Erwachsener dein Leben bestimmt. Deine Lebensentscheidungen gründen sich vor allen Dingen in Angst. Aus der unverarbeiteten Angst gegenüber der Übermacht der Eltern ist ein Erwachsener geworden, der weder sich noch seine Bedürfnisse kennt. Deine erlebte Ohnmacht ist dir auch noch als Erwachsener geblieben.
So fühlst du dich schnell schuldig, wenn du nicht die Bedürfnisse anderer über deine stellst und verfällst sofort in Rechtfertigungen, wenn du etwas machst, das anderen nicht gefallen könnte. Du bist mit dem Gedanken aufgewachsen, dass andere dich nur akzeptieren oder gar mögen, wenn du dich ihnen unterordnest. So versuchst du dein Leben lang es allen recht zu machen – nur dir selbst nicht. Du stehst ganz unten auf deiner Prioritäten-Liste und hast Schwierigkeiten deine Identität unabhängig von anderen Personen zu leben.
Wer bist du ohne das Chaos in deinem Leben? Oder besser: Wer könntest du sein ohne das Chaos in deinem Leben?

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