Teil 2 der Serie: Trauma im Körper
Der Körper als Träger der Erinnerung
Viele Menschen glauben, Trauma sei etwas, das nur in unseren Gedanken lebt – ein schmerzhaftes Bild, eine Erinnerung, die uns nicht loslässt.
Doch tatsächlich ist Trauma ein körperliches Ereignis. Es findet im Nervensystem statt, im Atem, in der Muskulatur, im Herzen.
Wenn ein Mensch etwas erlebt, das zu viel ist, zu schnell, zu überwältigend, dann „merkt“ sich der Körper diesen Schock.
Er schließt ihn in sich ein – manchmal für Jahre oder Jahrzehnte.
Diese gespeicherten Erfahrungen zeigen sich nicht immer als offensichtliche Traumafolgen.
Oft erscheinen sie als körperliche Beschwerden, die keine klare medizinische Ursache haben:
- chronische Verspannungen im Nacken, Schultern oder Rücken,
- ein ständiges Engegefühl in der Brust,
- Magenprobleme oder Verdauungsstörungen,
- Migräne oder Spannungskopfschmerz,
- Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Erschöpfung.
Manche Betroffene beschreiben es so, als würde der Körper ständig auf etwas reagieren, das gar nicht mehr da ist.
Und genau das tut er auch: Er reagiert auf alte Gefahrensignale, die nie vollständig abgeschlossen wurden.
Das Nervensystem im Alarmzustand
Wenn der Körper traumatische Erfahrungen speichert, bleibt das Nervensystem oft in einem Zustand der Übererregung oder Erstarrung.
Das autonome Nervensystem – das uns hilft, zwischen Sicherheit und Gefahr zu unterscheiden – verliert sein natürliches Gleichgewicht.
Menschen, die Trauma erlebt haben, schwanken häufig zwischen zwei Zuständen:
- Überaktivierung (Fight/Flight) – Herzrasen, innere Unruhe, ständige Wachsamkeit, Schlafprobleme.
- Unteraktivierung (Freeze/Shutdown) – Erschöpfung, Taubheitsgefühle, Leere, Antriebslosigkeit.
Diese Zustände sind keine Schwäche, sondern Überlebensmechanismen, die einmal notwendig waren.
Der Körper versucht, dich zu schützen – auch wenn die Gefahr längst vorbei ist.
Insbesondere wenn wir von traumatischen Kindheitserfahrungen sprechen, leiden viele Betroffene unter den körperlichen Beschwerden permanent ablaufender Überlebensmechanismen. Dabei wechseln sich diese im alltäglichen Leben oft ab: Mal sind wir von innerer Unruhe getrieben, nur um kurz darauf wieder „in ein Loch zu fallen“: Wir sind erschöpft und ausgelaugt und weder genug Schlaf noch angemessene Ruhephasen können helfen uns dauerhaft zu entspannen.
Wenn der Körper spricht
Trauma kann dabei viele Gesichter haben.
Manchmal äußert es sich in Muskelverhärtungen, die einfach nicht loslassen wollen.
Manchmal in einem ständigen Druck auf der Brust, als wäre es schwer zu atmen.
Oder in einem Magen, der sich verkrampft, sobald man sich unsicher fühlt.
Auch chronische Erkrankungen wie:
- Reizdarmsyndrom,
- Fibromyalgie,
- chronische Müdigkeit,
- Autoimmunerkrankungen,
können mit einer dauerhaften Stressreaktion des Körpers in Verbindung stehen.
Das bedeutet nicht, dass Trauma immer die Ursache ist – aber es kann ein entscheidender Faktor sein, der das Gleichgewicht im Körper stört.
Die Liste potentieller Beschwerden und Krankheiten ist lang, da sich die ungelösten Emotionen und der dauerhaft hohe Stresspegel zu einem individuellen Krankheitsbild zusammensetzen.
Verdrängte Emotionen führen dabei oft zu körperlichen Beschwerden und Schmerzbildern, die sich auf bestimmte Regionen des Körpers beziehen:
- Trauer sitzt im Brustbereich und kann sich in Krankheiten wie Lungenentzündungen und Asthma zeigen.
- Angst kann sich körperlich in Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Blasenentzündungen zeigen.
- Scham wird der Haut zugeordnet und kann sich in Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Allergien zeigen.
Was der Körper braucht
Der erste Schritt in der Heilung ist, wieder Zugang zum eigenen Körper zu finden – sanft, behutsam, in kleinen Schritten.
Es geht nicht darum, Erinnerungen hervorzuholen, sondern darum, dem Körper zu zeigen, dass heute Sicherheit besteht.
Atemarbeit, sanfte Bewegung, Körpertherapie, Achtsamkeit oder Yoga können helfen,
die eigene Körperwahrnehmung wiederzuerwecken.
Heilung geschieht nicht im Kopf allein – sie beginnt im Körper,
wenn wir lernen, ihm zuzuhören und seine Sprache wieder zu verstehen. Denn unser Körper möchte uns nicht strafen – er möchte uns helfen, die Wunden zu erkennen, die es wirklich zu heilen gilt.
Weiterlesen in Teil 3: Wenn der Körper beginnt zu heilen: Wege der Regulation
Mehr erfahren in Teil 1:
Trauma im Körper – Warum der Körper sich erinnert.
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